Ihr Film WASTE LAND zeigt unbewertet das Zusammentreffen armer Deponiearbieter in Rio de Janeiro mit einem brasilianischen Fotografen, der aus Abfallprodukten Bilder macht, dessen Fotografien er verkauft. Aus dem dokumentierten Projekt sind großformatige Fotos entstanden. Diese zeigen verschiedene Arbeiter im Portrait, zusammengesetzt aus Abfall. Die Fotos wurden in verschiedenen Museen ausgestellt und bei Auktionen verkauft.
Diese Armut ist erschreckend, im Gegensatz dazu haben die Bilder der Deponie eine unglaubliche ästhetische Kraft. Besonders der Stolz und die Träume der portraitierten Arbeiter lassen beim Zuschauer kein falsches Mitleid aufkommen. Die Kamera ist nah am geschehen und beobachtet nur, man fühlt mit, aber man fühlt sich nicht unangenehm verantwortlich.
Diese Dokumentation ist sehr professionell gemacht. Musik, Typografie und Erzählfluss bilden einen schlüssigen Rahmen, werden aber nicht vordergründig eingesetzt. Ich mochte diesen Film. Eine moralische Bewertung der Intention des Fotografen bleibt dem Zuschauer überlassen - das findet man als Zuschauer einer Doku selten.
Nach einem letzten Cappuccino im Touristeneiscafé der Potsdamer Platz Arkaden gehen wir in unseren letzten Berlinalefilm in diesem Jahr. Es gibt nur eine Festivalkopie des Forumfilms, den wir jetzt sehen werden. Weil der Film parallel im Kino Babylon in Mitte läuft, wurde die Vorstellung im CinemaxX 6 nach hinten verschoben. Akt für Akt werden die Filmrollen zu uns ins CinemaxX gefahren - auch das gehört zur Berlinale: Improvisation.
20.30 Uhr CinemaxX 6
Bis auf den letzten Platz ist der Saal gefüllt. Viele der Zuschauer haben sich Karten gekauft. Wir sitzen im vorderen Drittel und die Redakteurin des Tagesspiegels stellt noch mal die Leserjury vor. Sie hatten alle Forumsbeiträge gesehen, beraten und sich für den kommenden Siegerfilm entschieden.
Unser Abschlussfilm des Festivals ist sehr kraftvoll und verstörend. Ein Film mit einer Frau im Mittelpunkt, aber auch nur, weil ein Mann sie zum Opfer macht.
In WINTER'S BONE von Debra Granik zieht eine 17-jährige Amerikanerin ihre beiden kleinen Geschwister auf und kümmert sich um ihre geistig abwesende Mutter. Sie muss den kriminellen Vater finden, der als Kaution Haus und Hof angegeben hat. Eine Woche hat sie Zeit, sonst müssen alle 4 auf der Straße leben.
Diese ländliche Familie ist sehr arm. Oftmals müssen sie hungern, alles ist dreckig, kaputt und traurig. Hinzu kommen die verworrenen Familienverhältnisse, die Unehrlichkeit und das Misstrauen unter Freunden und Verwandten. Diese Frau wird so ungerecht behandelt - sie antwortet mit absoluter Härte und Unnachgiebigkeit. Woher nimmt sie diese Kraft?
Ein völlig andere Welt wird uns gezeigt. Diese ist mir zum Glück fremd, aber ich kann den Schmerz und die Perspektivlosigkeit dieser jungen Frau nachempfinden. Ein bemerkenswerter Charakter, warum sind solche, fast dokumentarischen Filme nicht im Wettbewerb? Ich bin erschüttert und begeistert. Ein würdiger Abschlussfilm. Applaus.
Das war sie nun die Berlinale in diesem Jahr. Zusammenfassend ein schwacher Geburtstagsjahrgang. Sind die Macher abgestumpft oder gibt es im Moment keine anderen Filme auf der Welt? Sicher, wie die Presse schreibt warten viele Filmemacher lieber auf die Festivals in Cannes und Venedig, aber trotzdem müssten doch irgendwo Perlen zu finden sein!
Ich bin froh mit meinen beiden Freunden unterwegs gewesen zu sein. Wir haben uns gegenseitig per Handy geweckt und über das Gesehene ausgetauscht.
Nächstes Jahr wieder? Vielleicht. Mal sehen. Im Moment hab ich genug Zeit in dunklen Räumen mit offenen Augen verbracht.