Dienstag, 16. Februar 2010

BERLINALE 2010 - 6. Tag

9.00 Uhr Berlinale Palast
Es schneit wieder mal. Ein kleiner Junge von ungefähr 6 Jahren bestimmt diesen deutsch-türkischen Film namens BAL, der letzte Teil der Anatolien-Trilogie des Regisseurs Semih Kaplanoglu.
Das Leben im anatolischen Hochland ist noch sehr archaisch. Die kleine Familie lebt in einem Holzhaus, nebenan ist der Stall mit Pferd und Hühnern. Während die Mutter den Haushalt erledigt und auf dem Feld arbeitet, geht der kleine Yusuf mit seinem Vater in den Wald. Sie kümmern sich um die hölzernen Körbe, die in den Bäumen hängen, der Vater ist Imker.
Es wird keine Zärtlichkeit zwischen den dreien über einen Kuss oder eine Umarmung ausgedrückt, alles läuft über Vertrauen und über Blicke.
Weite, saftig grüne Wälder, eine ruhige Geschichte ohne Musik, ohne künstliches Licht. Doch wieder zu lang. Als es, leider erst am Ende, spannend wird, ist Schluss. Die Inhaltsangabe im Berlinaleheft hatte dies anders beschrieben.
Als ich mein Handy wieder anschalte bekomme ich ein Nachricht. Ein Redakteur von der Morgenpost möchte uns interviewen. 10 Minuten später sitze ich bei Starbuck's und wir unterhalten uns über das Festival, die Filme und die Atmosphäre. Mit einem Foto von uns soll ein Artikel in der Donn
erstagsausgabe erscheinen. Bin gespannt.

Keener, Holofcener, Hall, Peet (v. l. n. r.)
12.00 Uhr Berlinale Palast
PLEASE GIVE - der erste wirkliche Frauenfilm. Catherine Keener (BEEING JOHN MALKOVICH), Amanda Peet (2012) und Rebecca Hall (VICKY CRISTINA BARCELONA) spielen unter der Regie von Nicole Holofcener (FRIENDS WITH MONEY) mutige, selbstbewusste - aber unzufriedene Frauen. Keener spielt eine gutsituierte Frau, die mit ihrem Mann einen Antiquitätenladen betreibt. Sie verkaufen Möbel, die sie aus Wohnungsauflösungen beziehen. Die Nachbarwohnung haben sie gekauft, doch noch wohnt die 91 jährige Großmutter darin, die zumindest von einer Enkelin (Hall) liebevoll gepflegt wird.
Es stimmt alles: die Stadt, die Geschwindigkeit, das Licht, die Dramaturgie. Dieses Werk macht Spaß. Wir amüsieren uns. Und gerade auf der Pressekonferenz im Anschluss zicken sich diese 4 Frauen professionell, aber spielerisch an. Es ist ein Fest.

Warum läuft so ein Film außer Konkurrenz? Wahrscheinlich weil er zu gut ist.

16.00, nein 16.20 nein 16.35 Uhr! CinemaxX 9
Mit 35 Minuten Verspätung und einem Chaos am Saaleingang (das Personal macht keine Ansagen) startet
der iranische Beitrag im Wettbewerb. Ein Mann kommt aus dem Gefängnis und dreht durch, als er erfährt, dass Frau und Tochter durch einen Unfall erschossen wurden. SHEKARCHI ist eine deutsch-iranische Coproduktion bei der der Regisseur auch die Hauptrolle übernommen hat. Wenn er sich da mal nicht übernommen hat! Er hat. Unlogische Geschichte, Anschluss- und Requisitenfehler, kaum überzeugende Darsteller.
Wieder ein politischer Film der nicht funktioniert. Er ist anscheinend nur im Wettbewerb, weil er aus einem Land kommt, in dem die Masse der Bevölkerung unterdrückt wird. Das muss die westliche Welt erfahren. Es gibt ja auch keine Presse oder Literatur...
Ich bin so enttäuscht. Wieder eine männliche Hauptrolle, wieder geht es nicht um filmische Qualität.

21.00 Uhr Friedrichstadtpalast
Noch eine Karte hatte ich dazu gekauft. Wir gehen zu viert in die Gala Premiere von Matti Geschonnecks Film BOXHAGENER PLATZ nach dem gleichnamigen Buch von Torsten Schulz.
Diesmal werden alle ohne Limousine zum Seiteneingang geschickt - wir dürfen nicht über den roten Teppich. Schade. Kein Wunder dass Berlin der Glamour fehlt...
Es ist ausverkauft, wir sitzen rechts vorn.
Gudrun Ritter vom Deutschen Theater beherrscht ihr Handwerk. Sie ist witzig und glaubwürdig als Familienoberhaupt. Die Dialoge sind ihr auf den Leib geschrieben.
Jürgen Vogel spielt den Schwiegersohn. Michael Gwisdek den Liebhaber. Überhaupt ist die ganze Besetzung klasse. Der Streifen beschreibt eine Episode einer Familie aus Friedrichshain in der DDR 1968. Der Fokus wird auf den Enkel gelegt.
Das Setting hat man leider schon zu oft gesehen, es ist die Babelsberger Außenkulisse mit 2 Straßenzügen. Die Fenster und Balkone stimmen nicht, ebenso der Doppeldecker, der in einer Szene durchs Bild fährt. Aber das tut dem Film keinen Abruch. Er ist charmant, er ist unterhaltsam. Aber auch typisch Deutsch: alle Fragen werden beantwortet, der Zuschauer ist an die Deutung gebunden.
Wir gehen zu viert Essen, eine Premierenparty scheint es nicht zu geben. Egal, wir haben unseren Spaß!

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