Sonntag, 15. Februar 2009

BERLINALE 2009 - 11. Tag

14 Uhr, International

Dieser letzte Festivaltag heißt Berlinale Kinotag und ist für das Publikum gedacht. Es gibt wenig Mitarbeiterkarten und keine Pressescreenings. Ich habe mir aber ein Ticket für die TEDDY-Kurzfilmrolle im Kino International geholt. 8 Filme zwischen 5 und 30 Minuten bilden den Abschluss der queeren Filme auf dieser Berlinale. Das alte Premierenkino der DDR ist voll. Wir sitzen in der vorderen Mitte und das eigentlich 125 minütige Programm wird in die Länge gezogen, da in den kurzen Unterbrechungen nach jeweils 2 Filmen, Teile der Filmteams auf die Bühne gebeten werden, um kurz ein paar Fragen zu beantworten.

Experimentalfilme, Kunstfilme, kurze Geschichten - ich gehe nach dem sechsten Film, es war so enttäuschend. Es kommt mir so vor, das nicht die Qualität der Filme ausschlaggebend für die Auswahl war, sondern hauptsächlich das Thema: Hauptsache queer. Da ich in einem Land lebe, in dem ich mich überwiegend frei als Schwuler bewegen kann, ist es schwer mich mit den altbekannten queeren Filmthemen Krankheit, Tod sowie öffentliches Ausleben der Sexualität zu identifizieren. Wenn diese Themen wie hier auch noch experimentell bis zur Unverständlichkeit codiert sind, verliere ich schnell das Interesse.

Ich fahre nach Haus und weiß, dass es nur besser werden kann heute Abend.

19.30 Uhr, Babylon Mitte

Auf diesen Publikumsliebling aus Australien freue ich mich schon die ganze Woche. Meinen letzten Film auf diesem Festival schaue ich mir mit meiner Familie und der unbekannten Freundin an. Es ist der australische Knetfiguren-Animationsfilm MARY AND MAX von Adam Elliot. Dieser 92-Minüter läuft in der Sektion Generation 14plus.

Ein achtjähriges Mädchen schreibt sich Briefe mit dem am Asperger Syndrom leidenden 44-jährigen Max aus New York. Für Max ist Mary eine Verbindung zu einer Welt, die ihm unbekannt ist. Andersrum fragt Mary Max nach allen Dingen, die sie beschäftigen. Eine ungewöhnliche Brieffreundschaft entsteht. Wunderbare Settings, ergreifende Figuren und eine Geschichte, die mehr Ideen, Wendungen und Überraschungen bereit hält als mancher Berlinalestreifen der letzten 11 Tage. Der Saal war voll, langer Applaus am Ende. Wir sind begeistert! So muss es sein.

Das Poster des auf einer wahren Geschichte beruhenden Films löse ich mir spontan von der Wand im Foyer. Berlinale für zu Hause.


Das war sie also: Frauen-verlieben-sich-in-junge-Männer-Filme, Antikriegsfilme, Familiengeschichten, Filme über Paare und über Freundschaften und Vergangenheitsbewältigungsfilme. Es war toll, vor allem weil ich so dicht dran war am Geschehen, wie noch nie zuvor. Gern mehr. Vielleicht schon im nächsten Februar.

Samstag, 14. Februar 2009

BERLINALE 2009 - 10. Tag


Dieter Kosslick, Leiter der Berlinale

Es ist geschafft!
Wir haben die Pflicht beendet, jetzt kommt die Kür..wohl eher das Vergnügen.

12.30 Uhr, Saarländische Landesvertretung, In den Ministergärten 4
Zwischen Potsdamer Platz und dem Brandenburger Tor sind einige Landesvertretungen beheimatet. In der Saarländischen werden die Preise der unabhängigen Jurys verliehen. Meine Kollegen und ich werden vom Filmredakteur der Morgenpost empfangen und vom Gästebetreuer der Berlinale. Nach einem kleinen Getränk beginnt die Verleihung. Der relativ kleine Saal geht über 2 Etagen, er ist voll von etwa 120 Journalisten, Preisträgern und Jurymitgliedern aus aller Welt. Nach den Preisen der unabhängigen Fachjurys, kommen wir. Mein Favourit gewinnt. Juhu!
STURM von Hans-Christian Schmid - der Film wird damit zum dritten Mal prämiert an diesem Nachmittag. Wir werden namenlos auf die Bühne gebeten und brauchen auch nichts zu sagen. Herr Schmid ist wirklich gerührt und bedankt sich. Man merkt ihm an, dass so ein Publikumspreis etwas Besonderes ist, gilt er doch als erster Indikator für die spätere Kinovermarktung. Wir freuen uns für ihn.
Danach kommt noch die Verleihung des Leserpreises der Tagesspiegeljury. Die mussten statt der 18 Beiträge des Wettbewerbs, über 40 Filme aus der Sektion Forum sehen. Die Armen!
Die Veranstaltung endet am Kanapee-Büfett. Ganz lecker, aber zu wenig und zu kurz.
Schmid und seine Produzentin stehen am anderen Ende des Foyers, wir gehen zu ihnen, um sie um ein Foto zu bitten. Der Regisseur Schmid sagt zu uns: "Wir wollten gerade zu Euch kommen." - Es gibt also doch noch normale Menschen! Also befragen wir ihn und seine Produzentin ein wenig zum Projekt, zur Vorbereitungszeit usw.
Überraschenderweise erzählt die Produzentin, dass der Film ganz knapp fertig wurde. Erst im November letzten Jahres stand der Schnitt. Aus Zeitgründen wurde er auf der Berlinale digital von einer Festplatte projiziert, da die Herstellung einer Kinokopie auf Film zu knapp fertig geworden wäre. Wahnsinn, die kochen also auch nur mit Wasser. Ich bin begeistert und erleichtert. Ich habe doch noch mein 15 Minuten-Gespräch bekommen. Tilda kommt ein andermal wieder nach Berlin. Der Film im September in die deutschen Kinos.

Nichts Besonderes kommt heute noch in einem der Berlinale-Kinos. Für die offizielle Bärenverleihung am Abend brauchen wir Einladungen, die wir nirgendwo bekommen haben. Also fahre ich nach Hause und schaue mir das Ganze auf 3sat im Fernsehen an.

19.20 Uhr, 3sat
Die Live-Übertragung vom roten Teppich läuft als HD-Stream im Internet, ich schaue ab kurz vor halb 8 im Fernsehen zum Berlinale Palast.
Mein Favourit bekommt keinen Preis, aber der andere deutsche Beitrag räumt ab. ALLE ANDEREN erhält den Großen Preis der Jury - den Silbernen Bären und Birgit Minichmayr erhält als beste Darstellerin einen Silbernen Bären. Ich freu mich so für sie!
Auch Sotigui Kouyate aus LONDON RIVER erhält einen Darstellerpreis und verzückt bei der Übergabe das Auditorium mit seinen kleinen Geschichten.
Der peruanisch-spanische Beitrag THE MILK OF SORROW erhält den Goldenen Bären als Bester Film - schön für die Macher, aber nicht ganz so mein Film.
Den Regiepreis für die iranische Produktion um die verschwundene Frau kann ich nicht nachvollziehen...aber alles in allem ist die Verleihung knackig und nicht so elend lang, wie die Oscar-Verleihung.

Morgen gehts noch zweimal ins Kino und dieses Festival ist schon wieder vorbei. Schade.

Preisverleihung in der Landesvertretung mit unserer Leserjury

Freitag, 13. Februar 2009

BERLINALE 2009 - 9. Tag


Friedrichstadtpalast zur Gala von HILDE


Nur noch ein Wettbewerbsfilm heute Nachmittag.
Doch schlafe ich nicht wirklich aus, sondern gehe mit meiner Freundin, die mich gestern zu Hans-Christian Schmids Dokumentation begleitet hatte, ins Colosseum in Prenzlauer Berg.

13 Uhr, Colosseum 1, Schönhauser Allee
Sie hat den Film ausgesucht, ich weiß nicht was uns erwartet. Ein deutscher Kurzfilm von 58 Minuten Länge läuft im mäßig gefüllten Saal des alten Kinos: FÜR MIRIAM von Lars-Gunnar Lotz. Ein Studentenfilm, der durch eine gelungene Finanzierung von 30 Minuten auf diesen Umfang ausgeweitet werden konnte. Zum Glück.
Die etwas emotionsarme, trotzdem beliebte Lehrerin Karen Mertens (Franziska Petri) wir in einen Verkehrsunfall verwickelt. Das Opfer Miriam, eine Motorrollerfahrerin, ist die Schwester eines Schülers von ihr. Schuld überkommt Karen, um dies zu kompensieren gibt sie dem Bruder der Toten Nachhilfe. Eine komische Beziehung zwischen beiden entsteht. Zuerst motiviert durch Hass und Reue, dann durch Macht und Anziehung - beide fangen an sich auch körperlich näher zu kommen. Dabei zerbricht Karens eigentliche Beziehung zu ihrem Lebenspartner.
Durch die verstörend schön komponierten Bilder und den tragisch-traurigen Plot mit einer beeindruckenden Hauptdarstellerin, wird dieser Film wohl einer der Höhepunkte des Festivals für mich sein.
Doch nun schnell zum Berlinalezentrum am Potsdamer Platz - der letzte Wettbewerbsbeitrag wartet.

16 Uhr, CinemaxX 7
In der Reihe die sonst für die offizielle Jury reserviert ist, sitzen unbekannte Journalisten. Dabei wollte ich mir doch jetzt endlich ein Autogramm von Tilda Swinton, der Jury-Präsidentin bekommen. Schade.
Aber zum Film: Andrzej Wajda zeigt TATARAK (DER KALMUS). Eine Schauspielerin erzählt von ihrem todkranken Mann, sie spielt auch eine Frau in einem Filmprojekt, die selbst krank ist und verliebt sich dabei in einen sehr viel jüngeren Halbwüchsigen.
Es ist übrigens der fünfte Film dieser Festspiele, bei dem eine Frau mittleren Alters eine Affäre mit einem jungen Mann anfängt, dessen Mutter sie sein könnte. In THE READER, CHÉRI, DIE GRÄFIN (von und mit Julie Delpy) und in FÜR MIRIAM geschah dies auch.
TATARAK ist eine verworrene, theaterhaft überzogene Geschichte, langweilig, langatmig, überflüssig. Der polnische Altmeister Wajda hat sich verzettelt.
Dies ist zwar der letzte Wettbewerbsbeitrag, der in Konkurrenz läuft, aber nicht der letzte Film für heute.
Auf dem Weg nach Mitte, in die Oraneinburger Straße, rufen wir in der Morgenpost-filmredaktionan und geben unsere 3 Favouriten durch. Leider gibt es keine richtige Juryentscheidung mehr, da es in den letzten Jahren dabei immer wieder langwierige
Diskussionsrunden gab und die Zeitung ein schnelles, klares Ergebnis benötigt.
Dafür haben wir von Beginn an in unserer kleinen Runde immer wieder diskutiert.

Doch jetzt gehen wir erstmal essen. Zum Thailänder in die Oranienburger Straße.
Meine Mutter hatte sich so sehr gewünscht auch noch mal zu einer Vorführung mitzukommen. In den letzten Jahren war sie auch immer dabei und dieses Jahr habe ich Karten für die Berlinale Gala im Friedrichstadtpalast besorgt.
Massen von Menschen stehen im Foyer des Revuetheaters, wir sind zu fünft und trinken noch einen Ostkaffee an der Bar im ersten Stock des Hauses.
Der Saal ist groß, aber nicht so riesig wie in meiner Erinnerung. Ich war ja auch kleiner!
Wir sitzen Mitte links, 7. Reihe von vorn. Gute Plätze.

21 Uhr, Friedrichstadtpalast, Weltpremiere
Der in einem Bogen hängende
Vorhang hebt sich und gibt den Blick auf die Bühne frei. Die Eis-Wasser-Fläche bleibt verborgen und ca. 10 Meter von der Bühnenkante hängt ein zweiter Vorhang - diesmal gerade vor der 189 m² großen Leinwand. Nach einer kurzen Begrüßung und der Vorstellung des Regisseurs Kai Wessel erleben wir den 136-minütigen Film über Deutschlands bekanntesten Leinwandstar nach Marlene Dietrich: über Hildegard Knef.
Heike Makatsch spielt diese naive, zerbrechliche, starke und traurige Frau über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Ausgehend von der Bewerbung an der Filmhochschule, ihre Kriegsgefangenschaft, ihre Männerbekanntschaften, ihre Erfolge in Amerika, ihre Skandale im Nachkriegsdeutschland, bis in die 1960-er Jahre und ihren großen Auftritt in der Berliner Philharmonie.
Neben den überzeugenden Settings und dem guten Schauspielensemble glänzt vor allem Heike Makatsch als Knef. Ein Jahr Gesangsunterricht und das Studium sämtlicher audiovisueller Aufnahmen kommt sie diesem Star beängstigend nah. Gerade die gebrochene, leicht verraucht klingende Knef-Stimme ist absolut nah am Original, so nah, dass Makatsch alle Songs selbst eingesungen hat. Wir sind begeistert, auch wenn der Film nicht an das Biopic über Edith Piaf herankommt. Als die Knef sich gefunden hat und ihre eigenen Lieder verkauft endet die Geschichte von HILDE. Bei LA VIE EN ROSE mit Marion Cotillard als Piaf endete der Film mit dem Tod des Spatzen. Hier endet der Film auf dem Karrierehöhepunkt. Warum?
Angesteckt von der Begeisterung verlassen wir den größten Berlinale-Saal mit 1.895 Plätzen und holen unsere Garderobe.
Draußen fahren Busse vor und bringen die Gäste mit Einladung zur Premierenfeier. Wir haben keine Einladung, Mist. Aber wir waren auch noch nicht auf einer einzigen Berlinaleparty. Also schummeln wir uns zu viert in einen der Busse und fahren nach Tiergarten in die Villa der ehemaligen dänischen Botschaft. Erst an der Tür wird nach den Einladungen gefragt. Souverän erzähle ich etwas von "Einladung im Bus vergessen" und zeige ihm dabei meinen Juryausweis. Er lässt uns alle vier rein und die Party beginnt.
Die Villa ist 3-etagig, riesengroß und es sind gefühlte 800 Leute da. Ein DJ legt Musik auf, Getränke gibts an der Bar, kleines Fingerfood kommt auf Platten aus der Küche. Wir stellen uns davor und probieren alles durch. Fisch und Suppe, Käse und Fleisch. Die Dekoration besteht aus roten Rosen in Vasen, roten Rosenblütenblättern auf den Tischen und Standfotos aus dem Film an den Wänden. Es ist irgendwie schön, auch wenn alle rauchen.
Wir trinken, wir lachen und tanzen mit Heike Makatsch neben uns. Der VIP-Bereich ist ihr wohl zu langweilig. Verständlich.
Kurz nach drei nehmen wir ein Taxi. Ein wunderschöner Abend geht zu Ende. Klasse.

Team von HILDE, Heike Makatsch (linke Mitte, mit Blumen)

Donnerstag, 12. Februar 2009

BERLINALE 2009 - 8. Tag

9 Uhr, Berlinale Palast, inoffizielle Weltpremiere
Mein Frühstück, ein mitgebrachtes Fladenbrot, darf ich nicht im Saal essen. Verständlich, also kurz ins Foyer und gestärkt um die 94 Minuten spanisch/peruanischer Filmkunst durchzuhalten. Ich bin heute Morgen wieder furchtbar müde...
In THE MILK OF SORROW braucht eine junge schöne Frau aus dem Randbezirk einer Großstadt Geld für die Beerdigung ihrer Mutter. Dazu nimmt sie einen Job als Hausmädchen bei einer reichen Pianistin an. Wenn sie ihrer Herrin ein Lied vorsingt bekommt sie dafür je eine Perle. Die Frau bleibt nicht nur dem Zuschauer verschlossen, auch ihrer Umwelt, ihrer Familie. Diese organisiert Hochzeiten und richtet sie aus. Der Zuschauer erfährt etwas über die traditionellen Bräuche bei diesen Zeremonien, die manchmal sehr bunt und übertrieben auf mich wirken.
Das absurdeste am Film ist ihre Antwort auf ihre Angst vor Vergewaltigern. Dazu hat sie sich schon vor Jahren eines alten Brauchs bedient, den die Frauen zu Kriegszeiten zum Selbstschutz erfunden haben. Sie hat seit dem sie ein kleines Mädchen ist eine K a r t o f f e l in der Scheide. Dies soll auf Männer abstoßend wirken und hat u. a. chronisches Nasenbluten zur Folge. Zuerst dachte ich als aufgeklärter Mitteleuropäer, dies sei ein Scherz, eine Fantasie von ihr. Doch als sie zwei-, dreimal die Keime dieser Pflanze aus dem Schritt fallen lässt, wird klar, dass es keine Vorstellung ist. Trotzdem ist der Charakter so überzeugend gespielt, dass diese Ungewöhnlichkeit in den Hintergrund tritt.
Der Film strahlt eine Ruhe und Geschwindigkeit aus, der ich mich als Zuschauer erst anpassen muss. Die Hauptdarstellerin (Magaly Solier) spielt kraftvoll, doch fehlt mir ein wenig Würze in diesem Film.

Nach einem Kaffee und einem Stück Erbeerkuchen bei McDo. gehen wir zum vorletzten Pflichtfilm dieser Festspiele.

12 Uhr, Berlinale Palast, inoffizielle Weltpremiere
Die us-amerikanische Produktion MY ONE AND ONLY von Richard Loncraine spielt in den 1950-er Jahren in den USA. Ein Mutter (Renée Zellweger) verlässt ihren reichen Mann (Kevin Bacon spielt einen Bandleader), der sie mit einer anderen Frau betrügt. Mit einem neuen Wagen ausgestattet, verlässt sie New York City zusammen mit ihren Söhnen. Eine Art Roadmovie beginnt, doch wird der Fokus eher auf das Dreiergespann gelegt, die besuchten Orte spielen nur Nebenrollen. Zellweger spielt diese naive Frau erschreckend überzeugend, beide Söhne (16 und 17 Jahre alt) sind sehr selbstständig, weil beide Eltern nie wirklich für sie da waren. Ihr Roadtrip führt sie quer durchs Land, die Mutter sucht dabei immer wieder einen Mann zum Leben und trifft doch nur auf Betrüger. Das Ende werde ich hier nicht verraten, da der Streifen sicher noch in diesem jahr in die deutschen Kinos kommt.
Klasse Unterhaltung. 2 Filme kommen heute noch.

15 Uhr, CineStar 8, Weltpremiere
Meine unbekannte Freundin ist da und wir schauen uns Hans-Christian Schmidt's zweiten Berlinalebeitrag an: DIE WUNDERSAME WELT DER WASCHKRAFT. Eine Dokumentation über die unsichtbare Wäsche aus den 4- und 5- Sterne-Hotels aus Berlin. Dabei konzentriert sich Schmidt nicht auf die Logistik an sich - dies wurde schon in verschiedenen TV-Berichten gezeigt - sondern auf die Menschen dahinter. Den deutschen Chef der deutschen Großwäscherei in Polen und, wahllos herausgepickt, auf zwei Polinnen und ihre Familien. Unkommentiert und frei von Vorurteilen kann der Zuschauer einen Blick in diese Familien werfen. Ein überraschend persönlicher, offener Eindruck bleibt im Kopf.
Der Film ist ein wenig lang (ich hab auch immer was zu meckern), aber ich mag ihn, vor allem wegen seiner Filmästhetik. Der Regisseur und sein polnischer Kameramann haben auf 16mm gedreht. Selten, aber wichtig - dabei kommt man von einer Fernseh-Anmutung weg.
Danach gabs kurz Abendessen bei McDo. und dann in den letzten Film für heute.

20 Uhr, CinemaxX 8
Aus 12 mach eins. FUCKING DIFFERENT TEL AVIV ist der 3. Teil einer Reihe von Kurzfilmen, die zu einem Werk zusammengefügt wurden und das queere, also überwiegend schwule und lesbische Leben, in Israels Hauptstadt zeigen wollen. Doch nur 2 der 12 Kurzfilme, die diesen Langfilm von 94 Minuten ausmachen, sind erträglich. In dem einen treffen wir zwei Jugendliche - eine Lesbe und ein Schwuler. Gegenseitig beschreiben sie sich, wie es fast zu ihrem ersten Kuss gekommen wäre. Am Ende küssen sie einander. Eine einfache und berührende Episode, frei von Klischees erzählt.
Die andere Episode zeigt im scheinbaren Dogmastil einen Jungen, der auf einen Radiomoderator wartet und ihm seine Liebe gesteht.
Während der Präsentation der verschiedenen Teile dieses Film jubeln die Macher, Darsteller und Fans unbeirrt im Saal. Es ist peinlich, bei dieser miesen inhaltlichen und formalen Qualität. Diesem Machwerk den diesjährigen Berlinalefilmpreis Teddy Award zu verleihen, wäre unverständlich und enttäuschend für mich. Doch wird dieser Preis erst morgen Abend verliehen. Mal sehen...
Morgen noch den letzten Wettbewerbsbeitrag aus Polen angeschaut und dann muss ich mich für meine 3 Wettbewerbsfavouriten entscheiden...

Mittwoch, 11. Februar 2009

BERLINALE 2009 - 7. Tag


Zu spät - Demi Moore ist schon weg!

Schnee in Berlin, nur am Potsdamer Platz nicht.

9 Uhr, Berlinale Palast

Der ungarische Beitrag fängt mit 3-minütiger Verspätung an. KATALIN VARGA ist eine junge Frau in Ungarn, die mit ihrem 10-jährigen Sohn ihren Mann verlässt, als dieser erfährt, dass sie ihn angelogen hat. Sie fahren mit Pferd und Heukutsche tagelang durch das wunderschöne, unberührte ungarische Land und nächtigen bei Fremden. Eines nachts verführt sie einen Mann auf einem Dorffest und kommt ihm in einer Ruine näher. Jetzt könnte man denken: warum muss diese Frau sich jetzt so gehen lassen und gleich mit dem Erstbesten ins Bett steigen? Aber nein. Sie erschlägt den Mann, bevor sie sich näher kommen. Langsam wird klar, dass sie Rache für Vergangenes einfordert. Die genauen Geschehnisse aus ihrer Vergangenheit erzählt sie jedoch erst einem vermeintlich fremden Paar, bei dem sie mit ihrem Sohn ein paar Tage verbringt. Ihr Sohn ist von einem unbekannten Vergewaltiger - der Mann des vermeintlich fremden Paares, dem sie alles erzählt. Der Film endet tragisch. Leider konnte ich mich trotz der guten spherischen, düsteren Musik nicht für den Filmbegeistern. Zu sehr hat mich seine Atmospäre, seine Sprache an alte sozialistische Filme aus Kinderzeiten erinnert. Die mochte ich schon damals aufgrund ihrer unablässlich belehrenden Schwere nicht.

Doch steht heute noch ein Wettbewerbsbeitrag an - ein Familiendrama mit Parker Posey (aus der Serie BOSTON LEGAL) und Demi Moore (ENTHÜLLUNG). Ich bin gespannt.

Ein Latte Macchiato im Eiscafé in den Arkaden und eine Stunde später...

12 Uhr, Berlinale Palast

HAPPY TEARS von Mitchell Lichtenstein (Sohn des Pop Art-Künstlers Roy Lichtenstein). Jayne (Posey - wunderbar) hat reich geheiratet und fährt zu ihrer Schwester Laura (Moore) ins elterliche Haus. Sie soll ihrer Schwester bei der Pflege des demenzkranken Vaters (Rip Torn) ablösen. Alte Konflikte brechen auf und neue entstehen. Unter anderem durch Shelly, die K r a n k e n s c h w e s t e r des Vaters - großartig: Ellen Barkin (OCEAN'S 13) als Crackhure. Was als anstrengendes Drama verfilmt werden hätte können, wird hier mit einer Leichtigkeit und mit Witz beschrieben, sodass der Zuschauer nicht zu sehr leiden muss oder schweren Herzens den Saal verlässt. Das ist gutes Kino! Warum gibt es so wenig davon auf diesem Festival? Schwere Themen werden meist auch schwer angepackt, doch braucht der Außenstehende oft auch ein kurzes Schmunzeln, um einen Abstand zum Nachdenken zu bekommen.

Wir wollen nun auch die Stars live sehen und gehen zur Pressekonferenz. Draußen zu spät für ein Foto, drinnen striktes Reglement - ich kann nicht mal heimlich ein Foto machen. Also wird der Monitor im Foyer des Hyatt abfotografiert...

Posey wirkt angespannt, Moore ist absolut professionell und der Regisseur ist total aufgeregt.

Autor & Regisseur M. Lichtenstein (o.)

J. Pierpoline (Produzentin), R. Torn (Vater), P. Posey (Jayne), M. Lichtenstein (Regisseur), D. Moore (Laura) (v. l. n. r.)

BERLINALE 2009 - 6. Tag

Ich bin zu spät, es ist eiskalt und auf dem Weg vom Bahnhof zum Palast gibts keinen Bäcker, der nicht voll ist. Aber ich freue mich auf die britische Schauspielerin Brenda Blethyn im ersten Film...

9 Uhr, Berlinale Palast
LONDON RIVER, der 10. Film des französischen Filmemachers Rachid Bouchareb spielt in London während und nach den Bombenattentaten im Sommer 2005. Eine Mutter (Blethyn) kann ihre Tochter in London nicht erreichen u sucht sie dort. 
Zeitgleich sucht ein Vater (Sotigui Kouyate) seinen Sohn, den er seit seinem 6. Lebensjahr nicht mehr gesehen hat. Die Wege dieser Fremden kreuzen sich, doch die Mutter hat Vorurteile gegen den muslimischen Vater mit schwarzer Hautfarbe. 
Im Laufe der Zeit suchen beide zusammen nach ihren Kindern, die zusammen wohnten und sich liebten. Doch je länger sie suchen, desto gewisser sind sie sich des Schicksals ihrer Kinder.
Brenda Blethyn (GRABGEFLÜSTER, ABBITTE) die oft einfache Frauen aus der englischen Arbeiterschicht spielte, ist auch hier wieder bewunderswert authentisch. Der Film lebt vom Blick auf dieses kleine Ereignis. Eine kleine Geschichte ist privater und ehrlicher als ein großes Epos. Dieser Film hat mich sehr berührt. Die Presse im Saal hat diese Empfindung im Applaus ausgedrückt. Begeisterung!
Gestärkt von Kaffee, Panini und einem Stück Frankfurter Kranz mit meinen 3 Jurykollegen, gehe ich noch schnell zu unserem Gäste-Ticketcounter und hole für die nächsten Tage Tickets.

12 Uhr, Berlinale Palast
CHÉRI von Stephen Frears (DIE QUEEN) hat nach über 20 Jahren wieder einen Film mit Michelle Pfeiffer gedreht. Diesmal spielt sie jedoch nicht das unschuldige Sensibelchen, sondern eine gealterte Mätresse, die es zu Reichtum gebracht hat. 
Sie beginnt eine Beziehung mit dem Sohn einer ehemaligen Kollegin (Kathy Bates), doch 6 Jahre später heiratet dieser eine junge Frau. Der Historienfilm hat ein schlüssiges, unterhaltsames Drehbuch und die Schauspieler sind wirklich gut besetzt - allen voran Kathy Bates. 
THE READER spielte in Deutschland - alle sprachen Englisch, ähnlich ist das  Sprachwirrwarr hier auch, das Werk spielt in Frankreich und alle sprechen Englisch.
Wieso? Es ist unterschwellig störend, wenn nicht die Landessprache gesprochen wird. Man vergisst wo man sich befindet.
Knapp zwei Stunden Pause. Ein Foto für die morgige Zeitung wird von uns gemacht und dann gehts zur Mittagspause.

15.45 Uhr, CinemaxX 7
Wir schauen uns den chinesischen Historienfilm FOREVER ENTHRALLED an und mit einer Länge von 147 Minuten leide ich jetzt schon an Müdigkeit. Chen Kaiges Werk (LEBEWOHL, MEINE KONKUBINE) ist zu lang und anspruchsvoll. Dieses Biopic über Mei Lanfang - den
berühmtesten Darsteller der Peking-Oper zu dieser Zeit - beginnt in den 1920-er Jahren an und geht bis 1961 - eine zu große Zeitspanne. Die Modernisierung dieser traditionellen Unterhaltungsform durch diese historische Figur wird verblüffend schnell dargestellt, doch die familiären und persönlichen Veränderungen der Charaktere, besonders die des Hauptcharakters, werden nicht ausreichend erklärt. Auch der Krieg zwischen den Japanern und den Chinesen bildet nur ein tragisches Element, deren Ursache nicht weiter erörtert
wird. Ich gehe mit Fragen hinaus.
Doch vor dem Saal fängt mich ein Reporterteam vom japanischen oder chinesischen Fernsehen ab und ich versuche in meinem vokabelarmen Englisch die Fragen zum Film zu beantworten. Ob ich ihnen meine Eindrücke klar vermitteln konnte? Wer weiß.

Montag, 9. Februar 2009

BERLINALE 2009 - 5. Tag


9 Uhr, Berlinale Palast
ALLE ANDEREN von der deutschen Regisseurin Maren Ade ist der zweite deutsche Wettbewerbsbeitrag im Rennen um den Goldenen Bären. Ein Blick auf die Beziehung zwischen einem Mann (Lars Eidinger) und einer Frau (Birgit Minichmayr). Beide sind Mitte Ende 30 und als Paar im Urlaub auf Sardinien. Die Beziehung scheint ausgeglichen, doch man merkt schnell, dass der Mann nicht ganz ehrlich zu ihr ist: Sein Job als Architekt läuft nicht so gut, sie erfährt es nebenbei. Sie ist eine starke Persönlichkeit und sich dieser Ausstrahlung eher unbewusst. Die Beziehung läuft aus dem Ruder - oder doch nicht?

Der Film ist inhaltlich schwer zu beschreiben, da er von Kleinigkeiten lebt. Doch diese machen ihn interessant, spannend. Ich würde ihn empfehlen.

Danach sind wir schnell zu McDonald's und haben dann den us-amerikanischen Beitrag gesehen.

12.15 Uhr, Berlinale Palast
Starker Tobak wird einem in THE MESSENGER geboten. Ein heimgekehrter, verdienter Soldat Mitte 30 (Ben Foster) soll in seinen 2 letzten Dienstmonaten einen älteren Soldaten (Woody Harrelson) bei seinem Job unterstützen. Fortan sind sie Todesengel, denn sie überbringen die Nachrichten vom Tod eines Soldaten an deren Familien. Dabei verguckt sich der gerade verlassene, jüngere von Beiden in eine der Witwen (Samantha Morton). Getrübt von der Vergangenheit entsteht mit der Zeit Vertrauen und Anerkennung zwischen den Soldaten, die sich anfangs nicht akzeptieren.
Der Film hat mich eher in den ruhigen Passagen beeindruckt, beide Soldaten sind in Ihrer Welt gefangen und öffnen sich nach und nach glaubhaft einander. Trotzdem bleibt eine emotionale Distanz bei mir zurück, weil ich mit dem Thema Militär und dieser gespielten Härte dabei, gerade in US-Filmen, nicht viel anfangen kann. Das Debut von Regisseur Oren Moverman (Drehbuch für I'M NOT THERE) ist trotzdem stark und überzeugend.

Tatsächlich habe ich noch eine Weltpremiere gefunden. Die schweiz-chinesische Coproduktion des Regisseurs Kit Hung aus Hong Kong lief in der Sektion Forum.

17 Uhr, CineStar 8

Das Kino ist schnell voll, alle wollen SOUNDLESS WIND CHIME sehen. Ein junger Schweizer namens Pascal (Bernhard Bulling) der in Hong Kong als Tagedieb lebt, trifft unverhofft den eben bestohlenen Hong-Kong-Chinesen Ricky (Lu Yulai). Zwischen den Männern entsteht eine Romanze, die scheinbar aus Vertrauen und Liebe besteht. Die Rückblenden/Zukunftsvisionen die immer wieder die Kontinuität des Werkes unterbrechen, liefern dem Zuschauer zwar Einblicke in die Welt der Beiden, sie bieten aber auch viel Interpretationsraum, da einige Details verborgen werden.

Der Film ist ist sehr kontrastreich und wortkarg gehalten, trotzdem hat er mich berührt. Vor allem weil die stereotypen Schwulenklischees nicht auftauchen. Der Film ruht sich also nicht darauf aus und ist dramatisch gut umgesetzt um Jeden anzusprechen.

BERLINALE 2009 - 4. Tag

Ich habe ausgeschlafen und die deutsch-uruguayische Produktion GIGANTE verpasst. Der Film soll aber nicht besonders gewesen sein.

12 Uhr, Berlinale Palast
MAMMOTH vom Schweden Lukas Moodysson erinnert an BABEL. Gael García Bernal spielt in beiden Filmen mit. Die Geschichte führt uns nach New York City, in die Oberschichtenfamilie eines Computerspielemillionärs (Bernal), seiner Frau (Michelle Williams als Ärztin) und deren Tochter. Während der Vater geschäftlich in die Philippinen reist und die Schönheit des sorglosen Strandlebens und die einer Prostituierten entdeckt, scheint sich die Rettungsärztin immer weiter von ihrer Tochter zu entfremden. Die beiden anderen Erzählebenen beleuchten die enge Beziehung des Kindermädchens der Familie zur Tochter und die Sehnsucht eben dieser Frau zu ihren Kindern. Alles scheint parallel, aber aneinander vorbei zu geschehen. Die Entfremdung voneinander, die erfüllte Wohlstandswelt in Amerika, die Kinderarbeiter in Asien, tragische Geschehnisse - das kennt man doch leider irgendwie schon. Was will der Film erzählen? Das alles so schrecklich ist? So ungerecht? Konsequent ehrlich bleibt Moodysson nur insofern, als dass am Ende alle glücklich sind, aber sich grundsätzlich nichts an der Weltlage geändert hat. Aber das wussten wir schon vorher.

Nach einem Stärkungskaffee und einem Baguette steht der letzte Wettbewerbsfilm heute für uns auf dem Plan.


Judi Dench in RAGE

16 Uhr, CinemaxX 7
RAGE von Sally Potter (Orlando). Der Film hat eine ungewöhnliche Grundidee - er besteht nur aus Monologen und hat bis kurz vor Schluss nur eine Kameraeinstellung. Alle 14 Darsteller kommunizieren nur mit der Kamera und erzählen ihren Blick auf die Geschehnisse eines fiktiven New Yorker Modehauses rund um die Präsentation der neuen Kollektion. Reifenquietschen, Demonstranten und Schüsse untermalen diese karge Szenerie akustisch.
Die Aufnahmen wurden vor einem Bluescreen im Studio gemacht, im Film konnte so der Hintergrund monoton eingefärbt werden und die Stimmung des Darstellers verstärken. Interessanter Ansatz, starke Schauspieler - doch leider reicht die Story nicht aus, um den Film zu tragen. Ein Jurykollege bemerkte treffend, das es für einen Studentenfilm großartig, für eine Großproduktion aber zu schwach ist.
Ein Highlight ist sicher die Rolle der Transe Minx, die Jude Law verkörpert. Ich habe ihn den ganzen Film über nicht erkannt.

Samstag, 7. Februar 2009

BERLINALE 2009 - 3. Tag

Der heutige Samstag beginnt mit einem iranischen Film.

9 Uhr, Berlinale Palast

DARBAREYE ELLY (ABOUT ELLY) erzählt die Geschichte einer Gruppe von befreundeten jungen Paaren, die zusammen am Meer Urlaub machen. Das Strandhaus ist eine Ruine einer ehemals schönen Villa, die die Mitdreißiger mit ihren Kindern aus Teheran für ein langes Wochenende bewohnen. Alle Charaktere sind anfangs aufgekratzt, unbeschwert und kindisch, doch plötzlich verdüstert sich die Situation. Ein Kind ertrinkt beinahe, eine junge Fremde, die eingeladen wurde, verschwindet. Alle suchen, schreien sich an und heulen. Im Patriarchat Iran sind die Frauen schwach und lassen sich herumkommandieren, die Männer sind lebensuntüchtige cholerische Machohalbwüchsige. Das ist der moderne Iran? Ich kann es nicht glauben! Doch diese 2-stündige nervende Wettbewerbsbeitrag zeigt keine Entwicklung, ist wieder vorhersehbar und zu schwach für diesen Wettbewerb.

Nach einem Latte Macchiato bei McD. kommt ein Höhepunkt dieses Festivals...


Autor Bernd Lange, Schauspieler Rolf Lassgård, Anamaria Marinca und Kerry Fox, sowie Regisseur Hans-Christian Schmid, Moderator (v. l. n. r.) zur Pressekonferenz zum Film STORM

12.15 Uhr, Berlinale Palast

Hans-Christian Schmid zeigt den deutschen Beitrag STURM (STORM) und beeindruckt damit nicht nur mich, sondern auch das Presseauditorium (bisher längster Applaus).

Am Den Haager Kriegsverbrechertribunal wird ein Verbrechen aus dem längst zerfallenen Jugoslawien verhandelt, doch eine Zeugenaussage bricht zusammen und eine neue muss her. Die Neuseeländerin Kerry Fox (Silberner Bär für INTIMACY) spielt die taffe Staatsanwältin, die für das Tribunal gegen einen ehemaligen Offizier ermittelt. Dabei wird das Einzelschicksal einer jungen Frau näher beleuchtet und die Tragik eines politischen Gerichtssystems mit all seinen Ungerechtigkeiten und Schwierigkeiten offenbart.

Alle Rollen sind absolut überzeugend gespielt und gerade die räumliche Nähe zum Thema hat mich stark mitgenommen. Um einen Blick auf das Team zu werfen, sind wir im Anschluss auf die Pressekonferenz gegangen. Ein Foto folgt.

Als letzter Film folgt noch Bertrand Taverniers erster US-Film IN THE ELECTRIC MIST mit Tommy Lee Jones in der Hauptrolle.

15.45 Uhr, CinemaxX 9

Der Saal ist überfüllt und dieser Film weckt irgendwie hohe Erwartungen in mir. Tavernier lässt Jones als Polizeiermittler durch die diesigen Mangrovenwälder der Südstaaten fahren, wobei John Goodman (THE BIG LEBOWSKI) einen zwielichtigen Verbrecherboss spielt und Peter Sarsgaard einen dauerbesoffenen Schauspieler. Handwerklich sauber ausgeführt überlege ich ob dies ein europäischer oder ein amerikanischer Film ist. Die Antwort fällt schwer. Erst bei genauer Betrachtung fallen ein paar europäische/französische Eigenheiten auf, doch eigentlich entwickelt sich keine nationale Handschrift. Dies ist auf dieser Berlinale nach THE READER und STORM nun schon der dritte Film eines Regisseurs, den er in einem fremden Land gedreht hat. Die Grenzen scheinen zu verschwimen. Globalisierung auch im Film?

Heute finde ich darauf keine Antwort. Hauptsache der Film ist ein gelungener Tagesabschluss. Das ist er.

Freitag, 6. Februar 2009

BERLINALE 2009 - 2. Tag


Die Nacht war zu kurz - nur 5 Stunden Schlaf. Punkt 9 fängt der erste in Konkurrenz laufende Wettbewerbsbeitrag im Berlinale Palast an. Also schnell noch einen Mocha zum Wachwerden bei McDonald's gekauft und rein. Einige Leute stehen an, doch mit meiner gelben Akkreditierung und dem kleinen Wort JURY komme ich ohne anstehen hinein.

9 Uhr, Berlinale Palast

Dänemark zeigt seinen Wettbewerbsbeitrag LILLE SOLDAT (LITTLE SOLDIER) (A. Olesen). Eine traumatisierte Kriegsheimkehrerin muss sich im normalen Leben zurechtfinden. Dazu nimmt sie einen Job als Fahrerin in der Firma ihres Vaters an, der seine nigerianische Freundin mit anderen Afrikanerinnen als Prostituierte arbeiten lässt. Das hört sich aufschlussreich und höchst emotional an, doch leider entwickelt sich die starke Ausgangsidee nur zu einem durchschaubaren Gewebe mit dem Beigeschmack eines unausgereiften Studentenfilms. Die etwas zu behutsame Kamera und die immer gleich fad dreinblickende Hauptdarstellerin geben dem Werk etwas Unfertiges.

MaxX' Bar. Einen Apfelsaft später und die Gewissheit, dass ich mit meiner Meinung in der Jury nicht allein dastehe, laufen wir wieder durchs milde Berliner Pressegemenge zum Palast...

12 Uhr, Berlinale Palast

Wir sind 5 vor 12 im Saal, drei Plätze werden uns zugewiesen in einer Reihe die eigentlich abgesperrt ist: Doch zu dieser Pressevorführung ist es knackenvoll. Das Licht erlischt und wir fühlen uns wie die offizielle Wettbewerbsjury, denn wir drei sitzen auf deren Plätzen. Stephen Daldry's THE READER nach dem Roman von Bernhard Schlink mit einer mitreißend authentisch spielenden Kate Winslet (mit dieser Rolle sechsfach oscarnominiert) und einem überzeugenden David Kross (KRABAT). Der Film ist besetzt mit vielen leider zu bekannten deutschen Gesichtern und erzählt die Geschichte eines Mannes, der als 15-jähriger eine Affäre mit einer Straßenbahnschaffnerin in einer westdeutschen Kleinstadt anfängt und diese Frau Jahre später im Gerichtssaal wieder trifft.

Der Roman war kontrovers, die Verfilmung ist es nicht minder. Doch klappt das mit den Sprachen nicht. Die internationale Produktion ist in englischer Sprache (für den Weltmarkt) gedreht und spielt zu 95 % auf deutschem Boden. Alle sprechen Englisch, selbst die Bücher sind auf Englisch! Doch die Ladenbeschriftungen und die Kinder in der Schule - welch Wunder - man schreibt und spricht Deutsch!

Vielleicht ist es besser, den Film außer Konkurrenz laufen zu lassen, er ist neben THE INTERNATIONAL mein Favourit. Danach kam etwas Erschütterndes, dass ich ganz schnell vergessen möchte!

Wir stärken uns mit asiatischem Glutamatfraß und hechten in den schon geschlossenen Saal.

15.30 Uhr, CinemaxX 7

Die offizielle Jury, ohne Tilda Swinton, sitzt im Saal. Ich sitze mit einem Kollegen in Reihe 1! François Ozon (8 FRAUEN) zeigt mit RICKY ein stümperhaftes, uninteressantes, mies besetztes Unterschichtenmärchen aus den Banlieues von Paris. Es wäre schade hier Platz mit Buchstaben zu verschwenden - nur soviel: Dumm-naive Mutter lacht sich einen ebensolchen Zugezogenen an, wird schwanger, dem Kind wachsen Flügel, am Ende f l i e g t es weg. Warum hat man Ozon nicht gleich ans Kind rangebunden? Und die noch viel schlimmere Frage: Warum gehe ich nicht raus!? Ich bin feige.

Das nächste Mal muss ich aber, sagt mein Spawiener. Er hat recht.

Ich bin geschockt und ruhe mich im Büro des Forums aus. Dort arbeitet eine Bekannte und ich bekomme etwas Abwechslung und Kekse.

Ich will einen guten Abschluss haben und gehe zum Forum.

19.30 Uhr, Sony Center, CineStar 8

Menschenmassen wollen den us-amerikanischen Independentfilm THE EXPLODING GIRL von Bradley Rust Gray sehen - einige müssen auf der Treppe sitzen. Der Film hat eine ausgesprochen exakte und asiatisch-sensible Bildsprache (Kamera: Eric Lin) und wurde auf einer RED 4K-Kamera gedreht. (Eine äußerst hoch auflösende Digitalkamera. - Woher haben die das Geld?) Eine 20-jährige Collegestudentin besucht ihre Mutter in den Ferien in New York City und kommt ihrem alten Schulfreund näher als zuvor. Die Geschichte lahmt und ist eigentlich in 20 Minuten erzählt. Warum haben die Filmemacher keine neuen Ideen mehr? Ich gehe mit Hunger nach Haus.

Eine Soldatin küsst eine Prostituierte - ein Junge eine Frau - eine Mutter ihr Flügelbaby und eine amerikanische Jugendliche ist zum Küssen zu jung. Wird es besser? Ich hoffe es so sehr!

Donnerstag, 5. Februar 2009

BERLINALE 2009 - 1. Tag


A. Mueller-Stahl, U. Thomsen, C. Owen, T. Tykwer (v. l. n. r.) vor der Pressekonferenz zum Film THE INTERNATIONAL

Halb 11, Potsdamer Platz, PWC-Gebäude
Heute ist der erste Tag des Festivals, doch zunächst muss ich zum Gästebüro um meinen Ausweis abzuholen. Dort treffe ich auch einen Teil der 11 Jurykollegen und bekomme alles was ich für die nächsten Tage brauche: Sämtliche Kataloge, die Übersicht über die Kinos und Säle die ich besuchen kann und den Ausweis mit der roten Berlinale-Tasche.
Noch kurz einen Cappuccino und ein Schokoladencroissant essen und ab zur ersten Pressevorführung ins CinemaxX 7 am Potsdamer Platz!

11.25 Uhr, Potsdamer Platz, CinemaxX 7
Gut 30 Minuten vor Beginn der Vorstellung und die Massen der Presseleute strömen in den größten Saal des Filmtheaters. Meine beiden Jurykolleginnen und ich suchen uns 3 schöne Plätze und ein wenig später wird es dunkel. Die Vorfreude hat ein Ende - die Berlinale beginnt!
Der Eröffnungsfilm läuft außer Konkurrenz, wird also nicht von uns bewertet.
THE INTERNATIONAL des deutschen Regisseurs Tom Tykwer ist ein furioser Auftakt. Ein äußerst spannend inszenierter Wirtschaftsthriller mit Clive Owen und Naomi Watts in den Hauptrollen. Brandaktuell werden die Machenschaften einer fiktiven Großbank offengelegt, die über krumme Waffengeschäfte Geld verdienen will. Frank Griebes Kamera verdichtet den dramatischen Plot und zieht den Zuschauer immer tiefer in die erschreckend real wirkende Geschichte. - Ich hoffe der Film verliert nicht an Dramatik durch die deutsche Synchronisation.
Clive Owen hat mit dem Streifen seinen verlorenen Bond-Part doch noch erhalten, strahlt dieser Thriller doch mehr Internationalität und echte Aktion aus, als der letzte 007 unter der zerfaserten Regie des Deutschen Marc Forster mit Daniel Craig in der Hauptrolle.
Nun freue ich mich auf die kommenden Filme - morgen früh um 9 geht es im Berlinale Palast weiter....

20.30 Uhr, TV: 3sat

Die etwas lasche Eröffnungsgala live aus dem Berlinale Palast läuft seit 20 Uhr im Fernsehen.
Ich bin erstaunt über die lustlose Moderation und muss über den starken deutschen Akzent des Englisch sprechenden Festivalleiters Dieter Kosslick schmunzeln.
Zusammen mit der Jurypräsidentin Tilda Swinton eröffnet er um 20.38 Uhr das Festival. Jetzt geht es also offiziell los.

BERLINALE 2009 - Leserjuryplatz gewonnen!

Heute erscheint die Berliner Morgenpost mit einem Foto im Kulturteil auf dem ich und die anderen Mitglieder der Leserjury zu sehen sind. Es wurde im Theater am Potsdamer Platz aufgenommen, welches während der Festspiele den Namen "Berlinale Palast" tragen wird. - Einen Palast stelle ich mir irgendwie anders vor. Aber ein internationales Festival braucht wohl einen Palast, nachdem der Zoo Palast als Hauptspielstätte vor einigen Jahren verlassen wurde und das Festival an den Potsdamer Platz zog.
Ein paar Tage vor Erscheinen der Zeitung rief der Filmredakteur der Morgenpost an und bat uns zu einem Fototermin ins besagte Theater. 9 andere Jurymitglieder konnte ich dort kurz kennenlernen. Ich freue mich auf das Festival. Jeder von uns bekommt die höchste Akkreditierung - wir kommen also in fast alle Festivalkinos! Juhu!
Als Leserjury der Morgenpost sind wir für die Bewertung der Filme des offiziellen Wettbewerbs verantwortlich. Wir schauen also mindestens 3 Filme pro Tag. Das wird spannend.
Der offiziellen Jury unter Leitung der englischen Schauspielerin Tilda Swinton werden wir wohl kaum begegnen. Diese Jury schaut die Wettbewerbsfilme am Abend zu den Premieren im BerlinalePalast.

Also auf zum Potsdamer Platz, das Festival startet heute am 5. Februar und geht bis zum 15. Februar 2009. Ich freu mich so!

BERLINALE 2009 - Bewerbung Leserjury

Die Berlinale besuche ich schon seit einigen Jahren, doch bisher musste ich immer nach Karten anstehen. In diesem Jahr hat mich eine Freundin auf die Idee gebracht Teil einer Jury zu werden und wir haben uns beworben.
Mitte Januar bekam ich einen Brief der Berliner Morgenpost - ich wurde unter diversen Bewerbern ausgewählt und eingeladen Teil der Leserjury zu werden. Leider hatte meine Freundin nicht soviel Glück.
Aber dieses Jahr muss ich nicht anstehen...

WILLKOMMEN!

Heute starte ich meinen Filmblog aus Berlin. Anlass dazu ist der Start der 59. Internationalen Filmfestspiele Berlin - kurz Berlinale.
Darüber hinaus werde ich weiter zum Thema Film Kommentare und Neuigkeiten posten.
Viel Spaß beim Lesen und Kommentieren!