Freitag, 12. Februar 2010

BERLINALE 2010 - 2. Tag


Nebeneingang des HYATT. Hier kommen die Stars an.

Es schneit wieder in Berlin.
7.40 Uhr - meine S-Bahn verspätet sich mal wieder.
Trotzdem der erste Wettbewerbsfilm heute in der Pressevorführung schon um halb 9 beginnt, ist der Saal gut gefüllt. Wir sitzen im 1. Rang und der Vorhang hebt sich zum neuen Film des oscarprämierten Regieteams Rob Epstein und Jeffrey Friedman. Der Spielfilm erzählt die Geschichte um das Gedicht HOWL, 1955 von Allen Ginsberg geschrieben, das nach Erscheinen der Obszönität bezichtigt wurde und dessen weitere Veröffentlichung vor Gericht verhandelt wurde.
Dieser Film ist wie eine Collage inszeniert. James Franco (Spider-Man) spielt den jungen Autor sehr überzeugend: in einer Ebene wird Ginsberg in seinem Appartement interviewt, dieser Redefluss liegt auch über den dialoglosen Schwarz-Weiß-Szenen, die auch die Lesung des Gedichtes zeigen. Andere Eindrücke gewinnt man aus surrealen Animationen. Stark farbig, hölzern und clean animiert. Die 4. Ebene dokumentiert die Gerichtsverhandlung im prüden Amerika der 1950-er. Alles fließt ineinander.
Ich war berührt, auch über die direkte, unverblümte Sprache Ginsbergs. Immer nah am Obszönen, aber nie zuviel.
Statt der Pressekonferenz, gehen wir kurz einen Kaffee trinken. Die Stadt ist inzwischen aufgewacht, die Geschäfte haben geöffnet.

11.15 Uhr Berlinale Palast
Roman Polanski hat einen Roman von Bestsellerautor Robert Harris verfilmt. THE GHOSTWRITER wird gespielt von Ewan McGregor, einem jungen, aufstrebenden Trivialautor, der die Memoiren des britischen Ex-Premiers zu Ende schreiben soll. Pierce Brosnan spielt diesen smarten, unangenehmen, weil undurchdringlichen, Ex-Politiker der ein markant modernes Haus auf einer amerikanischen Insel bewohnt. Düsteres Wetter, eine Geschichte die zunehmend undurchdringlicher wird, fremde Menschen - ein Werk das an Hitchcocks Suspense-Thriller erinnert. Leider fällt der Film im letzten Teil etwas ab. Er ist solide gemacht, er macht Spaß, aber irgendwie reichen die Überraschungsmomente nicht bis zum Schluss.
Trotzdem anschauen!
Statt dem Schnee fallen die Touristen auf den Potsdamer Platz. Es ist ungemütlich dieses Jahr, die Wege sind nicht überall enteist. Man rutscht leicht aus. Der nächste Film ist ein Bollywood-Streifen.

Shah Rukh Khan, Kajol und Regisseur Karan Johar

15.00 Uhr CinemaxX 7
MY NAME IS KHAN mit Indiens bestbezahltem Darsteller Sha Ruk Khan. Wir sind hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis diese Erzähl- und Darstellungsform als andersartig, aber seriös zu betrachten, und andererseits diese Geschichte als 165(!) minütige Komödie zu sehen. Immer wieder verlassen Zuschauer den Saal. Wir bleiben stark.
Die Story in Stichworten: ein Mann ist am Asperger-Syndrom (eine Form von Autismus) erkrankt - Reparaturgenie - wandert nach Amerika aus - verliebt sich - Hochzeit - 11. September - Ziehsohn stirbt - inhaftierter Terrorist unter Bush - USA-Reise - Retter von Hurricane-Opfern in d überschwemmten Südstaaten -
Ehefrau verzeiht ihm - radikaler Fanatiker ersticht ihn - Genesung - Rehabilitierung durch Obama. Alles erinnert an FORREST GUMP, nur übertriebener und leidenschaftslos. Isch möschte das nisch. Wie kann man so viele Millionen ausgeben, wenn man nichts zu sagen hat? Das Geld hätte man fähigen Autoren und Regisseuren geben sollen.
Es wird dunkel, wir sind müde. Ein Film steht uns noch bevor. Der vielleicht beeindruckenste des Festival. Wir haben Karten für die Gala.


OBEN: Noch fehlt das Orchester
UNTEN: Leise, es geht los...

20.15 Uhr Friedrichstadtpalast
METROPOLIS von Fritz Lang - Weltpremiere der restaurierten Fassung in nahezu originaler Länge von 1927. Begleitet vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, live übertragen im Fernsehen auf arte und am Brandenburger Tor vor über 2000 Gästen.
Seit Monaten freue ich mich auf diesen Abend. Die Vorstellung ist seit Wochen ausverkauft, unsere Tickets haben wir glücklicherweise über die Jury-Akkreditierung bekommen.
Dieser erste Science-Fiction-Film der Filmgeschichte wurde kurz nach der Veröffentlichung gekürzt und umgeschnitten. Die Urfassung galt als unwiederbringlich verloren. Erst durch den Fund im Filmmuseum in Buenos Aires 2008, konnte man, nach langen Verhandlungen und aufwendigen Restaurierungsanstrengungen, diese Fassung mit Hilfe der Original-Partitur wieder zusammensetzen. Die eingefügten Teile sind schwer beschädigt und kenntlich in den Film geschnitten. Seine Originallänge von 147 Minuten hat er damit wieder erreicht. Ein Filmklassiker, der jetzt eine klare Struktur und plötzlich einen verständlichen Erzählfluss hat. Ich bin so begeistert und fahre beseelt nach Hause. Morgen früh gehts weiter!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen