Friedrichstadtpalast zur Gala von HILDE
Nur noch ein Wettbewerbsfilm heute Nachmittag.
Doch schlafe ich nicht wirklich aus, sondern gehe mit meiner Freundin, die mich gestern zu Hans-Christian Schmids Dokumentation begleitet hatte, ins Colosseum in Prenzlauer Berg.
13 Uhr, Colosseum 1, Schönhauser Allee
Sie hat den Film ausgesucht, ich weiß nicht was uns erwartet. Ein deutscher Kurzfilm von 58 Minuten Länge läuft im mäßig gefüllten Saal des alten Kinos: FÜR MIRIAM von Lars-Gunnar Lotz. Ein Studentenfilm, der durch eine gelungene Finanzierung von 30 Minuten auf diesen Umfang ausgeweitet werden konnte. Zum Glück.
Die etwas emotionsarme, trotzdem beliebte Lehrerin Karen Mertens (Franziska Petri) wir in einen Verkehrsunfall verwickelt. Das Opfer Miriam, eine Motorrollerfahrerin, ist die Schwester eines Schülers von ihr. Schuld überkommt Karen, um dies zu kompensieren gibt sie dem Bruder der Toten Nachhilfe. Eine komische Beziehung zwischen beiden entsteht. Zuerst motiviert durch Hass und Reue, dann durch Macht und Anziehung - beide fangen an sich auch körperlich näher zu kommen. Dabei zerbricht Karens eigentliche Beziehung zu ihrem Lebenspartner.
Durch die verstörend schön komponierten Bilder und den tragisch-traurigen Plot mit einer beeindruckenden Hauptdarstellerin, wird dieser Film wohl einer der Höhepunkte des Festivals für mich sein.
Doch nun schnell zum Berlinalezentrum am Potsdamer Platz - der letzte Wettbewerbsbeitrag wartet.
16 Uhr, CinemaxX 7
In der Reihe die sonst für die offizielle Jury reserviert ist, sitzen unbekannte Journalisten. Dabei wollte ich mir doch jetzt endlich ein Autogramm von Tilda Swinton, der Jury-Präsidentin bekommen. Schade.
Aber zum Film: Andrzej Wajda zeigt TATARAK (DER KALMUS). Eine Schauspielerin erzählt von ihrem todkranken Mann, sie spielt auch eine Frau in einem Filmprojekt, die selbst krank ist und verliebt sich dabei in einen sehr viel jüngeren Halbwüchsigen.
Es ist übrigens der fünfte Film dieser Festspiele, bei dem eine Frau mittleren Alters eine Affäre mit einem jungen Mann anfängt, dessen Mutter sie sein könnte. In THE READER, CHÉRI, DIE GRÄFIN (von und mit Julie Delpy) und in FÜR MIRIAM geschah dies auch.
TATARAK ist eine verworrene, theaterhaft überzogene Geschichte, langweilig, langatmig, überflüssig. Der polnische Altmeister Wajda hat sich verzettelt.
Dies ist zwar der letzte Wettbewerbsbeitrag, der in Konkurrenz läuft, aber nicht der letzte Film für heute.
Auf dem Weg nach Mitte, in die Oraneinburger Straße, rufen wir in der Morgenpost-filmredaktionan und geben unsere 3 Favouriten durch. Leider gibt es keine richtige Juryentscheidung mehr, da es in den letzten Jahren dabei immer wieder langwierige Diskussionsrunden gab und die Zeitung ein schnelles, klares Ergebnis benötigt.
Dafür haben wir von Beginn an in unserer kleinen Runde immer wieder diskutiert.
Doch jetzt gehen wir erstmal essen. Zum Thailänder in die Oranienburger Straße.
Meine Mutter hatte sich so sehr gewünscht auch noch mal zu einer Vorführung mitzukommen. In den letzten Jahren war sie auch immer dabei und dieses Jahr habe ich Karten für die Berlinale Gala im Friedrichstadtpalast besorgt.
Massen von Menschen stehen im Foyer des Revuetheaters, wir sind zu fünft und trinken noch einen Ostkaffee an der Bar im ersten Stock des Hauses.
Der Saal ist groß, aber nicht so riesig wie in meiner Erinnerung. Ich war ja auch kleiner!
Wir sitzen Mitte links, 7. Reihe von vorn. Gute Plätze.
21 Uhr, Friedrichstadtpalast, Weltpremiere
Der in einem Bogen hängende Vorhang hebt sich und gibt den Blick auf die Bühne frei. Die Eis-Wasser-Fläche bleibt verborgen und ca. 10 Meter von der Bühnenkante hängt ein zweiter Vorhang - diesmal gerade vor der 189 m² großen Leinwand. Nach einer kurzen Begrüßung und der Vorstellung des Regisseurs Kai Wessel erleben wir den 136-minütigen Film über Deutschlands bekanntesten Leinwandstar nach Marlene Dietrich: über Hildegard Knef.
Heike Makatsch spielt diese naive, zerbrechliche, starke und traurige Frau über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Ausgehend von der Bewerbung an der Filmhochschule, ihre Kriegsgefangenschaft, ihre Männerbekanntschaften, ihre Erfolge in Amerika, ihre Skandale im Nachkriegsdeutschland, bis in die 1960-er Jahre und ihren großen Auftritt in der Berliner Philharmonie.
Neben den überzeugenden Settings und dem guten Schauspielensemble glänzt vor allem Heike Makatsch als Knef. Ein Jahr Gesangsunterricht und das Studium sämtlicher audiovisueller Aufnahmen kommt sie diesem Star beängstigend nah. Gerade die gebrochene, leicht verraucht klingende Knef-Stimme ist absolut nah am Original, so nah, dass Makatsch alle Songs selbst eingesungen hat. Wir sind begeistert, auch wenn der Film nicht an das Biopic über Edith Piaf herankommt. Als die Knef sich gefunden hat und ihre eigenen Lieder verkauft endet die Geschichte von HILDE. Bei LA VIE EN ROSE mit Marion Cotillard als Piaf endete der Film mit dem Tod des Spatzen. Hier endet der Film auf dem Karrierehöhepunkt. Warum?
Angesteckt von der Begeisterung verlassen wir den größten Berlinale-Saal mit 1.895 Plätzen und holen unsere Garderobe.
Draußen fahren Busse vor und bringen die Gäste mit Einladung zur Premierenfeier. Wir haben keine Einladung, Mist. Aber wir waren auch noch nicht auf einer einzigen Berlinaleparty. Also schummeln wir uns zu viert in einen der Busse und fahren nach Tiergarten in die Villa der ehemaligen dänischen Botschaft. Erst an der Tür wird nach den Einladungen gefragt. Souverän erzähle ich etwas von "Einladung im Bus vergessen" und zeige ihm dabei meinen Juryausweis. Er lässt uns alle vier rein und die Party beginnt.
Die Villa ist 3-etagig, riesengroß und es sind gefühlte 800 Leute da. Ein DJ legt Musik auf, Getränke gibts an der Bar, kleines Fingerfood kommt auf Platten aus der Küche. Wir stellen uns davor und probieren alles durch. Fisch und Suppe, Käse und Fleisch. Die Dekoration besteht aus roten Rosen in Vasen, roten Rosenblütenblättern auf den Tischen und Standfotos aus dem Film an den Wänden. Es ist irgendwie schön, auch wenn alle rauchen.
Wir trinken, wir lachen und tanzen mit Heike Makatsch neben uns. Der VIP-Bereich ist ihr wohl zu langweilig. Verständlich.
Kurz nach drei nehmen wir ein Taxi. Ein wunderschöner Abend geht zu Ende. Klasse.
Team von HILDE, Heike Makatsch (linke Mitte, mit Blumen)
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