9 Uhr, Berlinale Palast, inoffizielle Weltpremiere
Mein Frühstück, ein mitgebrachtes Fladenbrot, darf ich nicht im Saal essen. Verständlich, also kurz ins Foyer und gestärkt um die 94 Minuten spanisch/peruanischer Filmkunst durchzuhalten. Ich bin heute Morgen wieder furchtbar müde...
In THE MILK OF SORROW braucht eine junge schöne Frau aus dem Randbezirk einer Großstadt Geld für die Beerdigung ihrer Mutter. Dazu nimmt sie einen Job als Hausmädchen bei einer reichen Pianistin an. Wenn sie ihrer Herrin ein Lied vorsingt bekommt sie dafür je eine Perle. Die Frau bleibt nicht nur dem Zuschauer verschlossen, auch ihrer Umwelt, ihrer Familie. Diese organisiert Hochzeiten und richtet sie aus. Der Zuschauer erfährt etwas über die traditionellen Bräuche bei diesen Zeremonien, die manchmal sehr bunt und übertrieben auf mich wirken.
Das absurdeste am Film ist ihre Antwort auf ihre Angst vor Vergewaltigern. Dazu hat sie sich schon vor Jahren eines alten Brauchs bedient, den die Frauen zu Kriegszeiten zum Selbstschutz erfunden haben. Sie hat seit dem sie ein kleines Mädchen ist eine K a r t o f f e l in der Scheide. Dies soll auf Männer abstoßend wirken und hat u. a. chronisches Nasenbluten zur Folge. Zuerst dachte ich als aufgeklärter Mitteleuropäer, dies sei ein Scherz, eine Fantasie von ihr. Doch als sie zwei-, dreimal die Keime dieser Pflanze aus dem Schritt fallen lässt, wird klar, dass es keine Vorstellung ist. Trotzdem ist der Charakter so überzeugend gespielt, dass diese Ungewöhnlichkeit in den Hintergrund tritt.
Der Film strahlt eine Ruhe und Geschwindigkeit aus, der ich mich als Zuschauer erst anpassen muss. Die Hauptdarstellerin (Magaly Solier) spielt kraftvoll, doch fehlt mir ein wenig Würze in diesem Film.
Nach einem Kaffee und einem Stück Erbeerkuchen bei McDo. gehen wir zum vorletzten Pflichtfilm dieser Festspiele.
12 Uhr, Berlinale Palast, inoffizielle Weltpremiere
Die us-amerikanische Produktion MY ONE AND ONLY von Richard Loncraine spielt in den 1950-er Jahren in den USA. Ein Mutter (Renée Zellweger) verlässt ihren reichen Mann (Kevin Bacon spielt einen Bandleader), der sie mit einer anderen Frau betrügt. Mit einem neuen Wagen ausgestattet, verlässt sie New York City zusammen mit ihren Söhnen. Eine Art Roadmovie beginnt, doch wird der Fokus eher auf das Dreiergespann gelegt, die besuchten Orte spielen nur Nebenrollen. Zellweger spielt diese naive Frau erschreckend überzeugend, beide Söhne (16 und 17 Jahre alt) sind sehr selbstständig, weil beide Eltern nie wirklich für sie da waren. Ihr Roadtrip führt sie quer durchs Land, die Mutter sucht dabei immer wieder einen Mann zum Leben und trifft doch nur auf Betrüger. Das Ende werde ich hier nicht verraten, da der Streifen sicher noch in diesem jahr in die deutschen Kinos kommt.
Klasse Unterhaltung. 2 Filme kommen heute noch.
15 Uhr, CineStar 8, Weltpremiere
Meine unbekannte Freundin ist da und wir schauen uns Hans-Christian Schmidt's zweiten Berlinalebeitrag an: DIE WUNDERSAME WELT DER WASCHKRAFT. Eine Dokumentation über die unsichtbare Wäsche aus den 4- und 5- Sterne-Hotels aus Berlin. Dabei konzentriert sich Schmidt nicht auf die Logistik an sich - dies wurde schon in verschiedenen TV-Berichten gezeigt - sondern auf die Menschen dahinter. Den deutschen Chef der deutschen Großwäscherei in Polen und, wahllos herausgepickt, auf zwei Polinnen und ihre Familien. Unkommentiert und frei von Vorurteilen kann der Zuschauer einen Blick in diese Familien werfen. Ein überraschend persönlicher, offener Eindruck bleibt im Kopf.
Der Film ist ein wenig lang (ich hab auch immer was zu meckern), aber ich mag ihn, vor allem wegen seiner Filmästhetik. Der Regisseur und sein polnischer Kameramann haben auf 16mm gedreht. Selten, aber wichtig - dabei kommt man von einer Fernseh-Anmutung weg.
Danach gabs kurz Abendessen bei McDo. und dann in den letzten Film für heute.
20 Uhr, CinemaxX 8
Aus 12 mach eins. FUCKING DIFFERENT TEL AVIV ist der 3. Teil einer Reihe von Kurzfilmen, die zu einem Werk zusammengefügt wurden und das queere, also überwiegend schwule und lesbische Leben, in Israels Hauptstadt zeigen wollen. Doch nur 2 der 12 Kurzfilme, die diesen Langfilm von 94 Minuten ausmachen, sind erträglich. In dem einen treffen wir zwei Jugendliche - eine Lesbe und ein Schwuler. Gegenseitig beschreiben sie sich, wie es fast zu ihrem ersten Kuss gekommen wäre. Am Ende küssen sie einander. Eine einfache und berührende Episode, frei von Klischees erzählt.
Die andere Episode zeigt im scheinbaren Dogmastil einen Jungen, der auf einen Radiomoderator wartet und ihm seine Liebe gesteht.
Während der Präsentation der verschiedenen Teile dieses Film jubeln die Macher, Darsteller und Fans unbeirrt im Saal. Es ist peinlich, bei dieser miesen inhaltlichen und formalen Qualität. Diesem Machwerk den diesjährigen Berlinalefilmpreis Teddy Award zu verleihen, wäre unverständlich und enttäuschend für mich. Doch wird dieser Preis erst morgen Abend verliehen. Mal sehen...
Morgen noch den letzten Wettbewerbsbeitrag aus Polen angeschaut und dann muss ich mich für meine 3 Wettbewerbsfavouriten entscheiden...
Donnerstag, 12. Februar 2009
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